Geisteswissenschaftler auf Jobsuche: Orientierung schaffen und Netzwerke nutzen
„Was will ich, und – vor allem – was kann ich?“ Zu einem erfolgreichen Berufseinstieg als Geisteswissenschaftlerin gehört es, sich über die eigenen Qualifikationen und Kompetenzen klar zu werden. Wer zum Beispiel weiß, dass er dank seines Geschichtsstudiums eine hohe Analysefähigkeit mitbringt, kann Stellenanzeigen auf sein Profil hin durchsuchen. Für gezieltere Bewerbungen ist es hilfreich, herauszuarbeiten, welche fachlichen Schwerpunkte die eigene Universität im Vergleich zu anderen Hochschulen hat, was die eigene Fächerkombination für Vorteile birgt und welche Zusatzqualifikationen man besitzt, wie beispielsweise Fremdsprachen- oder IT-Kenntnisse oder bereits vorhandene etwaige Berufserfahrungen.
Wer frühzeitig weiß, in welche Richtung es gehen soll, kann bereits während des Studiums gezielt ein Netzwerk aufbauen. In den Medien – laut der Agentur für Arbeit eine der typischen Branchen für Geisteswissenschaftler – werden zum Beispiel viele Stellen über den verdeckten Arbeitsmarkt (Stellenbesetzung ohne Ausschreibung), speziell über persönliche Kontakte, vergeben. „Wenn durch Jobben, Praktika oder auch Ehrenämter während des Studiums bereits Kontakte geknüpft werden, das Profil also in eine Richtung ausgebildet wird, erleichtert das den Berufseinstieg“, bestätigt auch Herr Fittschen von der Universität Hamburg.
Um das eigene Netzwerk systematisch bei der Jobsuche einzubeziehen, sollten die Kontakte über den geplanten Berufseinstieg unterrichtet und eventuell um Unterstützung gebeten werden. Mit Fragen danach, wie dem Gegenüber der Jobeinstieg gelungen ist, was eigentlich die konkreten Aufgabenfelder und welche Fähigkeiten besonders gefragt sind, betreibt man Marktforschung in eigener Sache. Daneben halten auch Jobportale wie der ZEIT Stellenmarkt oder academics.de attraktive Stellenangebote für Geisteswissenschaftlerinnen bereit.
Direkt- oder Quereinstieg: Mögliche Berufsfelder für Geisteswissenschaftler
Wer als Geisteswissenschaftler auf der Suche nach seinem ersten Job ist, muss zwischen den Zeilen lesen, denn Berufe für Geisteswissenschaftler werden fast nie als solche ausgeschrieben. Bei der Stellensichtung lohnt es sich deshalb, den Blick zu weiten. Manchmal verstecken sich hinter Berufsbezeichnungen, die einem spontan gar nichts sagen, passende Stellen oder zumindest Anknüpfungspunkte für einen Quereinstieg.
Denn Geisteswissenschaftler erwerben während ihres Studiums einige überfachliche Kompetenzen, die sie für ein breites Aufgabenfeld qualifizieren. Dem Fachbereich Sprache, Literatur und Medien der Universität Hamburg zufolge sind das unter anderem: kultursensibles Verstehen und Handeln, Teamfähigkeit, eine fundierte kritische Recherche- und Informationskompetenz sowie kreative Projektmanagementkompetenz und eine ausgeprägte Verstehens- und Vermittlungskompetenz. „Wenn Firmen Studierende der Geisteswissenschaften einmal eingestellt haben, haben sie zumeist in der Zukunft auch gerne auf diese Leute zurückgegriffen, da sie sich von den Fähigkeiten und Kompetenzen überzeugen konnten“, berichtet Christoph Fittschen.
Mit diesen Fähigkeiten finden Geisteswissenschaftler beispielsweise Tätigkeiten im Öffentlichen Dienst, zum Beispiel an Hochschulen, in Bibliotheken oder Behörden, aber auch in der freien Wirtschaft. Darunter fallen Aufgabenfelder aus den Bereichen Werbung, Marketing, Journalismus, Erwachsenenbildung, Coaching, Personalberatung oder auch im Projektmanagement.
Weitere mögliche Arbeitgeber können Stiftungen, Vereine, Theater, Hörfunk, die Film- und Musikbranche, Verlage, Übersetzungsdienste oder der Tourismussektor sein. Auch der Bereich der Digital Humanities gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die digitalen Geisteswissenschaften stellen eine Schnittstelle zwischen Informatik und Geisteswissenschaften dar und ermöglichen beispielsweise Jobs als Data Scientists.
Eine Option für Geisteswissenschaftler kann auch der Quereinstieg als Lehrer sein. Wer merkt, dass er gerne mit Kindern oder Jugendlichen arbeiten möchte, kann unter bestimmten Voraussetzungen und bei entsprechendem Bedarf ohne ein Lehramtsstudium an einer Schule tätig werden.
Weiterbildungsmaßnahmen: So können sich Geisteswissenschaftler spezialisieren
Jobcoachs empfehlen Geisteswissenschaftlern, eine Mappe anzulegen, in der Stellenausschreibungen von Traumjobs gesammelt werden. Damit lässt sich ein Überblick darüber gewinnen, welche Anforderungen die gewünschten Stellen haben und welche Qualifikationen einem vielleicht noch fehlen. So können beispielsweise für eine Theaterwissenschaftlerin Weiterbildungen in Projektmanagement, BWL oder Social Media für eine Stelle in den Bereichen PR oder Eventmanagement an einem Theater bessere Argumente sein als ein Masterabschluss mit Auszeichnung. Wer sich allgemein für Öffentlichkeitsarbeit interessiert, punktet vielleicht mit erfolgreich absolvierten Photoshop- oder InDesign-Kursen; betriebswirtschaftliche Kenntnisse öffnen Möglichkeiten im Projektmanagement.
Die längere Phase der Jobsuche können Geisteswissenschaftler dafür nutzen, sich im Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen zu spezialisieren. Wer bei der Agentur für Arbeit oder beim Jobcenter arbeitssuchend oder arbeitslos gemeldet ist, hat Anspruch auf einen Bildungsgutschein, mit dem die Finanzierung von Weiterbildungen sowie Jobcoachings möglich ist. Wer noch an einer Hochschule eingeschrieben ist, kann außerdem von Bewerbungs- und Präsentationstrainings profitieren. So bietet das Career Center der Universität Hamburg beispielsweise Absolventinnen noch bis zu zwei Jahren nach Abschluss einen Bewerbungsunterlagencheck sowie Workshops zu diesem Thema an.
Darüber hinaus bieten viele Unternehmen auch spezielle und individuelle Traineeprogramme, die sich direkt an Geisteswissenschaftler wenden. Als Trainee finden die Absolventen so einen fundierten und gezielten Start in den verschiedensten Bereichen.
Berufseinstieg in die akademische Laufbahn als Geisteswissenschaftlerin
Wer auch nach dem Studium an der Universität bleiben möchte, sollte frühzeitig die Weichen für eine akademische Laufbahn stellen. Als wissenschaftliche Hilfskraft bereits persönlich mit Dozenten und Professorinnen in Kontakt gestanden zu haben ist von Vorteil, wenn es nach dem Masterabschluss darum geht zu promovieren und eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder später Nachwuchsgruppenleiter (Postdoc, Akademischer Rat) zu bekommen. Die Wege zur Professur können in den Geisteswissenschaften zwar unterschiedlich aussehen. Wer aber einen Ruf auf einen Lehrstuhl erhalten möchte, kommt um die Promotion und in der Regel auch um eine Habilitation oder habilitationsähnliche Qualifikationen nicht herum.
Wissen sollten Nachwuchswissenschaftler dabei, dass laut dem Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021 (kurz: BuWiN) 91 Prozent der Mitarbeitenden des Hochschulpersonals in den Geisteswissenschaften unterhalb der Professur und unter 45 Jahren nur auf Zeit angestellt waren.
Hier zeigt sich eine große Differenz im Anteil der in Teilzeit arbeitenden Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftlern im Vergleich beispielsweise zu den Ingenieurwissenschaften. Einer der Gründe hierfür könnte sein, dass der Anteil an weiblichen Wissenschaftlerinnen in den Geisteswissenschaften deutlich höher ist als in den Ingenieurwissenschaften. Frauen arbeiten nach wie vor häufiger in Teilzeit als ihre männlichen Kollegen.
Das Einstiegsgehalt von Geisteswissenschaftlern
Laut Stepstone Gehaltsreport für Absolventen 2020/21 liegt das Bruttodurchschnittsgehalt von Studierenden der Philosophie und Geisteswissenschaften bei 36.540 Euro. Dabei verdienen Männer mit 38.121 Euro immer noch mehr als Frauen mit 35.820 Euro. Geschichts- und Kulturwissenschaftler verdienen mit einen Durchschnittsgehalt von 39.367 Euro brutto im Jahr etwas mehr.
Dem Report zufolge macht sich auch der Abschluss beim Einkommen bemerkbar: Während Bachelorabsolventen 35.134 Euro Einstiegsgehalt bekamen, erzielten Studierende mit einem Master mit 36.531 Euro etwas mehr Jahresgehalt. Im Vergleich zu Absolventen andere Fachrichtungen, wie beispielsweise Wirtschaftsinformatiker oder Ingenieurinnen, erhielten Geisteswissenschaftler rund 4.000 bis 10.000 Euro weniger Einstiegsgehalt im Jahr. Mit zunehmender Berufserfahrung und Position steigen allerdings auch die Gehälter von Geisteswissenschaftlern.