Entzug aufgrund von Täuschung
In derartigen Fällen ist nach dem Recht aller Bundesländer ein Entzug des Doktorgrades möglich. Rechtsgrundlage dafür ist heute nicht mehr das früher einheitlich geltende "Gesetz über die Führung akademischer Grade", sondern je nach Bundesland entweder die Möglichkeit der Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte nach dem jeweiligen Verwaltungsverfahrensgesetz oder eine Spezialregelung im Landeshochschulgesetz, ggf. in Verbindung mit der betreffenden Promotionsordnung. Anders als die Verwaltungsverfahrensgesetze machen diese Spezialregelungen den Entzug regelmäßig von einer Täuschung abhängig. Diese setzt ein vorsätzliches Handeln voraus, das für die verwaltungsverfahrensrechtliche Rücknahme gerade nicht verlangt wird. In der Praxis ist das jedoch meistens kein bedeutsamer Unterschied. Sofern substantielle Teile der Arbeit ohne hinreichende Kennzeichnung übernommen wurden, kann vom objektiv feststellbaren Sachverhalt des Abschreibens auch ohne ein "Geständnis" auf den Täuschungsvorsatz geschlossen werden. Das ist keine Besonderheit der Entziehung akademischer Grade, sondern eine auch sonst übliche Vorgehensweise.
Sogar im Strafrecht, in dem besonders strenge Maßstäbe für Annahmen zu Lasten des Angeklagten gelten, ist es gängige und zulässige gerichtliche Praxis, aus dem äußeren Verhalten auf die innere Haltung zu schließen. Selbst auf einen Tötungsvorsatz kann aus einer erkennbar lebensgefährlichen Misshandlung des Opfers geschlossen werden. Bei Doktorarbeiten lässt die ungekennzeichnete Übernahme fremder Gedanken nach der Rechtsprechung unproblematisch den Schluss auf den Täuschungsvorsatz zu. Mit dem Einwand, nur Fußnoten vergessen zu haben, dringen die Betroffenen regelmäßig nicht durch, sofern die übernommenen Teile die Bagatellgrenze überschreiten. Im Fall zu Guttenberg war die Frage nach der richtigen Rechtsgrundlage jedoch von politischer Relevanz. Durch die Entscheidung der Universität Bayreuth, den Grad auf verwaltungsverfahrensrechtlicher Basis zurückzunehmen, blieb dem damaligen Verteidigungsminister die Feststellung des Täuschungsvorsatzes erspart. Rechtlich ist dieses Vorgehen nicht zu beanstanden: Das bayerische Hochschulgesetz sieht den gewählten Weg ausdrücklich vor. Bei richtigem Verständnis lässt - was unter Juristen freilich umstritten ist - auch die einschlägige Promotionsordnung eine Entziehung nicht nur wegen vorsätzlicher Täuschung zu. Sie berücksichtigt nämlich im Wege eines Verweises die Möglichkeit, den Grad allein wegen des nachträglich erkannten Fehlens seiner Erteilungsvoraussetzungen zu entziehen.
Entzug aufgrund späteren Vergehens
Gänzlich anders gelagert sind Fälle, in denen der Doktorgrad wegen eines späteren Verhaltens des zu Recht Promovierten aberkannt werden soll, weil dieser nach der Verleihung des Grades z.B. Forschungsergebnisse fälscht oder im "Privatleben" eine Straftat begeht. Zwar kennt das Verwaltungsverfahrensgesetz die Möglichkeit, einen rechtmäßig ergangenen Verwaltungsakt zu widerrufen, wenn dieser wegen nachträglich eingetretener Tatsachen verweigert werden dürfte. Eine solche Tatsache würde das spätere Verhalten jedoch nur darstellen, wenn man den Doktorgrad mit einer älteren Auffassung als "ehrenvolle Kennzeichnung der Persönlichkeit seines Trägers" ansehen wollte. Diese Einschätzung, die noch vor nicht allzu langer Zeit der Entziehungspraxis einzelner Universitäten zugrunde lag, stellt jedoch eine heute von der Gesetzeslage nicht mehr gedeckte Überhöhung des Doktorgrades dar. Rechtlich dokumentiert dieser lediglich eine besondere wissenschaftliche Qualifikation, über die auch jemand verfügen kann, dessen späterer Lebenswandel zu ehrbezogenen Dekorationen keinerlei Anlass mehr gibt.
An einer Grundlage für einen Widerruf wegen eines späteren Verhaltens, das mit der Qualifikation in keinem Zusammenhang steht, aber fehlt es in den meisten Ländern von vornherein. Anders ist die Lage in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Dort ermöglicht das Hochschulrecht die Entziehung des Grades für den Fall, dass sich der Inhaber durch späteres Verhalten der Führung des Grades als "unwürdig" erwiesen hat. Ob das ein hinreichend bestimmtes Merkmal ist, wird in der Literatur nicht nur unter Hinweis auf die Vergangenheit dieser Formulierung bezweifelt, die in NS-Zeiten dazu diente, Juden um ihre Doktortitel zu bringen. Unabhängig von dieser historischen Belastung des Begriffs stellt sich die Frage, ob sich in rechtsstaatlich einwandfreier Weise bestimmen lässt, wo die Unwürdigkeit beginnt. Der promovierte Falschparker gefährdet seinen Grad sicher noch nicht.
Wie aber steht es um den Steuerhinterzieher oder gar um den Mörder mit Doktortitel? Das Bundesverfassungsgericht hat 1988 die Entziehung wegen Unwürdigkeit in einem Fall für unbedenklich erklärt, in dem durch eine Straftat (konkret: Veröffentlichung eines Buches, das die planmäßige Ermordung von Juden in Auschwitz leugnete) "der mit dem Doktortitel verbundene Anspruch auf Wissenschaftlichkeit in besonderer Weise mißbraucht" wurde, da das Buch unter Nennung des Doktortitels publiziert wurde. Es hat dabei jedoch zugleich darauf hingewiesen, dass es zweifelhaft sei, ob Verhaltensweisen die Unwürdigkeit begründen könnten, die in keinem Zusammenhang zu der durch den Titel dokumentierten fachwissenschaftlichen Qualifikation stehen. Das Merkmal der Unwürdigkeit muss also zumindest eng und wissenschaftsbezogen ausgelegt werden. Wer Forschungsergebnisse fälscht, gefährdet daher seinen in den genannten Ländern erworbenen Doktorgrad. Ob der promovierte Mörder dieses Risiko ebenfalls trägt, hängt davon ab, ob man es für zulässig hält, bei "besonders missbilligenswerten" Straftaten auf Unwürdigkeit zu erkennen. Diesem und ähnlichen Begriffen dürfte es jedoch an der rechtsstaatlich gebotenen Bestimmtheit fehlen. Bei Delikten ohne Wissenschaftsbezug wird man einen Doktorgrad nach den derzeit geltenden Regelungen also nicht entziehen können.
Über den Autor
Professor Christian von Coelln lehrt Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wissenschaftsrecht und ist Direktor des Instituts für Deutsches und Europäisches Wissenschaftsrecht an der Universität zu Köln.