Dabei handelt es sich um eine "mittelbare Altersdiskriminierung"; es wird zwar nicht unmittelbar festgesetzt: "Bewerber, die älter als 45 Jahre sind, dürfen nicht berücksichtigt werden"; aber die Regelung führt de facto zu diesem Ergebnis (so das OVG-Urteil Rn. 54; siehe dazu meinen Beitrag in Forschung und Lehre 2009, S. 504). Auch derartige mittelbare Benachteiligungen sind genauso unzulässig wie unmittelbare, sofern nicht ein anerkannter Sachgrund vorliegt.
Das OVG NW brauchte sich zur Frage eines Sachgrundes nicht zu äußern, da es die Entscheidung der Hochschule bereits aus formellen Gründen aufheben konnte. Es stellt zu der Regelung fest: Es fehlt an dem für die Regelung einer Höchstaltersgrenze erforderlichen Gesetz. "Der Vorbehalt des Gesetzes verpflichtet den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und sie nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen."
Die Entscheidung des OVG Münster bedeutet allerdings noch nicht, dass entsprechende Klagen zurzeit erfolgreich wären. Das Urteil ist zum einen noch nicht rechtskräftig; die unterlegene Hochschule hat eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt (Aktenzeichen 2 B 40.13). Zum anderen könnte das Land über das für das OVG entscheidende Hindernis in Zukunft dadurch hinwegkommen, dass es dieselbe Regelung in einem Gesetz normiert. Inzwischen hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der für § 39 HG NW in einem neuen Absatz 7 eine Verordnungsermächtigung vorsieht. Allerdings stellt sich dann die Frage, ob ein solches Gesetz rückwirkend gelten könnte.
Wichtig ist deshalb die materiellrechtliche Aussage des Urteils zu der Frage, ob ein entsprechendes Gesetz seinem Inhalt nach mit höherrangigem Recht in Einklang stünde. Nach dem Urteil können gemäß Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes "Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, bei der Besetzung öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist." (Rn. 57). Da die Entscheidung der Hochschule in dem entschiedenen Fall schon mangels einer gesetzlichen Grundlage fehlerhaft war, konnte das OVG offen lassen, ob sich die Altersgrenze hier "durch das nach Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit des Beamten rechtfertigen ließe" (Rn. 62).
Bei der materiell-rechtlichen Beurteilung kommt es nicht nur auf das Leistungsprinzip des Grundgesetzes an, sondern auch auf das aus dem EU-Recht abgeleiteten Verbot der Altersdiskriminierung, das nicht nur für Arbeitnehmer gilt, sondern auch für Beamte. In der einschlägigen EU-Richtlinie heißt es, dass die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung zulässig ist "aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand", Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 2 Buchstabe c) RL 2000/78/EG. Das deutsche Umsetzungsgesetz, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), hat diese Formulierung in § 10 Satz 3 Nr. 3 übernommen.
Das ist der gleiche Gedanke, den das OVG im Hinblick auf Art. 33 GG angesprochen hat. Nun kann man sicher darüber streiten, was eine "angemessene Beschäftigungszeit" bedeutet; ob also beispielsweise ein 62-Jähriger berücksichtigt werden muss. Ganz sicher aber lässt sich sagen, dass eine Grenze von 45 Jahren für Personen, die ohnehin durchschnittlich mit 40 Jahren erstmals berufen werden, gegen die Richtlinie und gegen das AGG verstößt (entgegen der Begründung zum Gesetzentwurf unter Berufung auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts v. 23. Februar 2012, Az. 2 C 76/10).
Für einen Verstoß ist es auch nicht erforderlich, dass finanzielle Überlegungen das ausschlaggebende Motiv für die Entscheidung waren. Es genügt, wenn sie überhaupt für den Willensbildungsprozess eine Rolle gespielt haben. Angesichts der Konstruktion - eine Fakultät, die einen 46-Jährigen einstellt, wird dafür vom Land mit der Verpflichtung zur Zahlung einer hohen Ausgleichssumme "bestraft" - dürfte der Gegenbeweis schwer fallen.
Zwar darf auch ein über 45-Jähriger gegenüber Jüngeren abgelehnt werden; aber, wie das OVG in dem oben angeführten Zitat zutreffend ausgeführt hat, nur unter Berufung auf das Leistungsprinzip oder auf andere Belange mit Verfassungsrang. Aus dem Urteil ergibt sich: Wenn Hochschulen bei ihrer Entscheidung über die hier angesprochenen Fragen den Versorgungsabschlag bei ihrer Abwägung berücksichtigen, so ist die Entscheidung anfechtbar.
Die Hochschule kann durch eine Klage des Bewerbers gezwungen werden, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ohne Berücksichtigung der finanziellen Konsequenzen neu zu entscheiden. Hinzu kommt, worüber das OVG nicht zu entscheiden hatte: Verstößt die Entscheidung der Hochschule gegen Antidiskriminierungsrecht, so kommt ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG in Betracht. Hierbei kommen dem Bewerber die Beweiserleichterungen nach dem AGG zugute.
Über den Autor
Rolf Wank ist Professor (em.) für Bürgerliches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht an der Ruhr-Universität Bochum.