Eltern- und Wissenschaft: Vorteile im WissZeitVG
Dem Gesetzgeber sind die Probleme, die sich aus einer Doppelbelastung aufgrund wissenschaftlicher Karriere und Familienplanung ergeben können, seit Jahren bewusst. So wurde im 2007 verabschiedeten WissZeitVG eine Erleichterung für Eltern in Form der sogenannten „familienpolitischen Komponente“ geschaffen.
Die gesetzlich festgelegte Sechs-Jahres-Frist, die für wissenschaftliche Anstellungen einmal während der Promotion und einmal in der Postdoc-Phase gilt, verlängert sich laut WissZeitVG um zwei Jahre pro Kind. Zudem werden Mutterschutz und Elternzeit nicht auf die Höchstbeschäftigungsdauer angerechnet.
Tritt eine wissenschaftliche Mitarbeiterin beispielsweise nach zwei Jahren befristeter Tätigkeit in den Mutterschutz und die anschließende Elternzeit ein, so hat sie bei der Rückkehr in den Job noch vier Jahre „übrig“. Durch die Regelungen des WissZeitVG kommen für die Erziehung des Kindes noch weitere zwei Jahre hinzu. Bei einem zweiten oder dritten Kind kommen noch einmal zwei beziehungsweise vier Jahre hinzu. Sind beide Elternteile in der Wissenschaft tätig, erhält auch der Vater jeweils zwei Jahre pro Kind mehr.
Befristete Arbeitsverträge: Wird bei Mutterschutz und Elternzeit verlängert?
Auch wenn Mutterschutz und Elternzeit nicht auf die Höchstdauer der wissenschaftlichen Anstellungsfrist nach dem WissZeitVG abgezogen werden, heißt dies nicht, dass ein befristeter Vertrag auch automatisch verlängert wird. Prinzipiell werden befristete Verträge um Mutterschutz- und Elternzeitdauer verlängert – doch gilt das auch für Verträge in Wissenschaft und Forschung? Grundsätzlich ja. Werdende Mutter und Vater können eine Verlängerung ihres befristeten Arbeitsvertrags für die Dauer der gesetzlichen Mutterschutzzeit und der Elternzeit beantragen.
Entscheiden sich Eltern während der Elternzeit für ein Teilzeitmodell mit 50-prozentiger Arbeitszeit, ist eine Verlängerung um mindestens ein halbes Jahr möglich. Dies gilt in der Regel auch für Akademiker:innen, die einer Befristung durch das WissZeitVG unterliegen. Die familienpolitische Komponente schafft eine Verlängerungsoption, der jedoch beide Vertragsparteien zustimmen müssen – automatisch verlängert sich der Vertrag also nicht.
Anders sieht es hingegen bei Drittmittelprojekten aus. Wollen junge Mütter oder Väter aus der Elternzeit zurück in einen durch Drittmittel finanzierten Vertrag, könnte die Frist und damit die Finanzierung bereits ausgelaufen sein.
Forschungsförderung und -programme für Eltern
Auch bei der Forschungsförderung wurden forschenden Müttern und Vätern Zugeständnisse gemacht. So enthielt bereits das 7. Forschungsrahmenprogramm der EU keine Altersgrenzen und berücksichtigte Eltern- und Mutterschutzzeiten mehr.
Im Zuge ihrer „Forschungsorientierten Gleichstellungs- und Diversitätsstandards“ wartete die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) 2008 mit einem Instrumentenkasten zur Vereinbarkeit von Forschung und Familie auf. In diesem Instrumentenkasten fanden sich bereits konkrete Maßnahmen von Einrichtungen wie etwa Vaterberatungsstellen und Reisekostenzuschüsse für Nachwuchswissenschaftler:innen, die ihr Kind mit auf eine Tagung nehmen müssen.
Im Zuge des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes StaRQ (Standards, Richtlinien und Qualitätssicherung für Maßnahmen zur Verwirklichung der Geschlechtergerechtigkeit in der Wissenschaft) wurde vom Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CWES) ein Onlineportal ins Leben gerufen, das Recherchetools und Informationen rund um Gleichstellungsmaßnahmen bereitstellt. Zusammen mit dem Instrumentenkasten der DFG entstand so die Datenbank INKA, in der Forschende mit Kind beispielsweise nach konkreten Hilfsangeboten ihrer Hochschule oder Forschungseinrichtung suchen können.
Auch in den Chefetagen von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen selbst setzte unlängst ein Umdenken ein. Arbeitsverträge enthalten immer öfter flexible Arbeitszeitmodelle, und immer mehr Hochschulen und Forschungseinrichtungen bieten eigene Betreuungsmöglichkeiten inklusive Notfallbetreuung an.
An den Einrichtungen sind es in der Regel die Gleichstellungsbeauftragten, die ein umfangreiches Beratungsangebot zum Thema Vereinbarkeit von Forschung und Familie bereithalten. Am besten lassen sich werdende Eltern frühzeitig beraten, welche Rechte und Möglichkeiten sie speziell an ihrer Einrichtung haben.
Finanzielle Unterstützung: Elterngeld und Co.
Als finanzielle Unterstützung für die Elternzeit können Angestellte, Beamt:innen und auch Selbstständige das Elterngeld beantragen. Dieses berechnet sich nach dem durchschnittlichen Einkommen der vergangenen zwölf Monate und wird für mindestens zwölf Monate gezahlt. Bis zu 14 Monate sind möglich, wenn beide Elternteile für je mindestens zwei Monate in Elternzeit gehen oder ein Elternteil alleinerziehend ist. Mit dem ElterngeldPlus haben Eltern zusätzlich die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum Elterngeld zu beziehen und zugleich in Teilzeit zu arbeiten, während beispielsweise der Partner die Betreuung übernimmt. Auch Mischformen zwischen Elterngeld und ElterngeldPlus sind möglich.
Wer ein Stipendium bezieht, hat allerdings schlechte Karten beim Elterngeld. Ein Stipendium gilt nämlich nicht als Erwerbseinkommen und Geförderte erhalten beim Elterngeld grundsätzlich nur den Sockelbetrag von 300 Euro. Es lohnt sich allerdings, mit dem Stipendiengeber Kontakt aufzunehmen – viele verlängern die Laufzeit des Stipendiums um die Familienzeit.
Die Studienstiftung des deutschen Volkes etwa verlängert die Förderzeiten von frisch gebackenen Müttern und Vätern um bis zu zwölf Monate. Mütter erhalten zusätzlich drei Monate Verlängerung ihres Stipendiums aufgrund des Mutterschutzes.
Familienfreundliche Organisation von wissenschaftlicher Arbeit
Nach der Rückkehr aus der Elternzeit lässt sich die alltägliche wissenschaftliche Arbeit durchaus familienfreundlich organisieren. So können Besprechungen beispielsweise während Kita-Zeiten stattfinden und viele Aufgaben lassen sich auch vom heimischen Computer aus erledigen. Da viele Akademiker:innen keine Kinder haben, sind ihnen die erschwerten Bedingungen für Mutter und Väter oft nicht bewusst, aber sie sind sehr wohl zu Zugeständnissen bereit. Eltern sollten ihre Vorgesetzten und Kolleg:innen deshalb auf ihre spezifischen Bedürfnisse aufmerksam machen.
Das Entwickeln von Notfallszenarien für den Fall, dass das Kind krank wird und eine nicht aufschiebbare Aufgabe zu erledigen ist, kann sinnvoll sein. Das ist umso wichtiger für Alleinerziehende. Es sollte außerdem frühzeitig überlegt werden, welche Tätigkeiten und Arbeitszeitmodelle der Familiensituation entsprechen und welche sich gar nicht vereinbaren lassen. Gerade Laborarbeiten werden schnell zum Problem – die Experimente folgen einem strengen Protokoll, das eine plötzliche Erkältung eines Kindes natürlich nicht vorsieht. Vielleicht können Kolleg:innen diese Arbeiten übernehmen. Gegebenenfalls kommt der Wechsel zu einem verwandten Forschungsgebiet in Frage, in dem der Faktor Zeit eine geringere Rolle spielt.